Wir bedanken uns bei der Redaktion der Neuen Presse, bei Andrea Tratner für den schönen Artikel und bei Frank Wilde für das schöne Foto. Der Artikel zeigt genau die Gründe von Hülya Feises Engagement. Er erzählt auch den Aufbau von gEMiDe.

Wir bedanken uns bei der Redaktion der Neuen Presse, bei Andrea Tratner für den schönen Artikel und bei Frank Wilde für das schöne Foto.
Der Artikel zeigt genau die Gründe von Hülya Feises Engagement.

Er erzählt auch den Aufbau von gEMiDe. Der Artikel ist wirklich sehr gelungen!!!
Vielen, vielen Dank!!!

http://www.neuepresse.de/Menschen/Mensch-Hannover/Huelya-Feise-will-beim-CSD-ein-Zeichen-setzen

Hannover

Die goldbraunen Korkenzieherlocken wippen aufgeregt, wenn Hülya Feise (45) erzählt – von Fußballturnieren, integrativen Laufgruppen, einem Besuch im Landtag, dem „Politiker-Speeddating“, dass sie mit ihrem Verein „gEMiDe“ organisiert hat.

Das sperrige Buchstabenkonstrukt steht für „gesellschaftliches Engagement von Migrantinnen, Migranten und Deutschen“. Spricht man es schnell aus, klingt es ein bisschen wie „geh mit“. Eine Aufforderung, der man gerne folgt, wenn sie von der temperamentvollen und herzlichen Frau mit den türkischen Wurzeln kommt.

Bundesverdienstmedaille von Joachim Gauck

Ihr Ehemann Eric Feise (55) ist ihr größter Fan: „Sie leuchtet von innen“, schwärmt er von der 45-Jährigen. „Sie hat Tatendrang, den Willen, etwas zu verändern. Wenn Hülya den Raum betritt, dann merkt man das.“ Ex-Bundespräsident Joachim Gauck (78) wird wissen, wovon der Sozialpädagoge redet: 2014 überreichte er Hülya Feise die Bundesverdienstmedaille für ihr Projekt, bei dem Deutsche und Einwanderer durch ehrenamtliche Arbeit Wege zueinander finden. „Er hat dich sogar geknuddelt“, sagt Eric Feise nicht ohne Stolz über das Treffen mit dem obersten Staatsmann.

GROSSE EHRE: Bundespräsident Joachim Gauck überreicht Hülya Feise 2014 den Bundesverdienstorden. Quelle: dpa

Sie kann Herzen öffnen, sie bringt Menschen dazu, sich die Hand zu reichen: „Rassismus kenne ich gar nicht“, sagt Hülya mit tiefster Überzeugung und erzählt von ihrer Kindheit und Jugend in der Türkei. Der Vater ist ein hoher Beamter, sie wächst als jüngstes von vier Geschwister auf. „Meine Eltern haben mich gelehrt, nie das Menschsein aus den Augen zu verlieren.“ Deshalb will Feise auch nicht verraten, wo genau sie geboren wurde. Denn sie hat keine Lust auf Schubladendenken: „Ost- oder West-Türkei, Stadt oder Land – das zählt nicht.“

Feise lernt viel beim Roten Halbmond

In ihrem Heimatland arbeitet sie für die türkische Hilfsorganisation Roter Halbmond, ist als Katastrophenhelferin zum Beispiel nach Erdbeben im Einsatz, sieht viel Leid, macht aber auch Karriere. Der Rat ihres Vaters hilft ihr dabei: „Du musst deine Schwächen in Stärken umwandeln.“ Feise lernt, schnell zu reagieren, Entscheidungen unter Druck zu treffen, zu organisieren.

Mit 22 kommt sie nach Deutschland, um Sozialpädagogik zu studieren. Die Sprache ist anfangs eine Hürde: „Ich habe sechs Monate gebraucht, um das Wort Kröpcke richtig auszusprechen“, erinnert sie sich mit Grausen Mit Eric Feise, den sie an der Uni kennen- und lieben lernt, trifft sie sich deshalb immer „neben dem Bahnhof“.

Das Wort „tolerieren“ hasst sie

Die Erfahrungen nimmt sie mit in ihr „gEMiDe“-Projekt, das sie nach dem Examen aufbaut: „Ich weiß, wie sich ein Neuankömmling hier fühlt.“ Ihr Ziel? Barrieren abbauen, Krusten aufbrechen. Denn Migranten würden oft als Migranten gesehen – nicht als Teil der Gesellschaft. Feise hat da ihre klare Meinung: „,Tolerieren’ – ich hasse dieses Wort. Ich will akzeptiert werden als Mensch.“ Wenn man keine Gemeinsamkeiten entdecke, könne man ja auch voneinander lernen.

Ehrenamt und Migranten – diese beiden Welten hat Hülya Feise mit viel Hingabe und Hartnäckigkeit schon zusammengebracht. „Das deutsche Vereinswesen ist sehr strukturiert. Tagesordnung, Protokoll, Redezeiten – damit können Menschen aus anderen Kulturkreisen oft nichts anfangen.“ Ihr Ansatz für ehrenamtliches Engagement ist ein anderer: „Wir schreiben keine Konzepte, sondern entwickeln zusammen mit Menschen Ideen. Ich bin nur die Begleiterin.“

DAS LEBEN IST BUNT: Hülya Feise ist 2017 mit Ehemann Eric und Sohn Baha beim Christopher Street Day mitmarschiert. Quelle: FACEBOOK

Eine Begleiterin, die am 19. Mai einen mutigen Schritt wagt und unter der Regenbogenflagge den Christopher Street Day als Schirmherrin begleitet. Das Amt wurde ihr schon 2017 angeboten, damals sagte Feise ab. „Das war zu kurzfristig. Ich wusste, dass ich viel Überzeugungsarbeit vor mir hatte.“ Eine Frau mit türkischen Wurzeln an der Spitze eines Demozuges für Akzeptanz und rechtliche Gleichstellung von Schwulen, lesben und Trangender? Die „Ehe für alle“, die es homosexuellen Paaren in Deutschland seit Oktober 2017 ermöglicht zu heiraten, mag in der deutschen Gesellschaft weitgehend angekommen sein. Die sexuelle Orientierung sei bei Menschen mit Migrationshintergund häufig ein Tabu-Thema. „Fast immer entstehen Ablehnung, Hass oder Vorurteile dadurch, dass man etwas nicht kennt“, weiß die 45-Jährige, die mit den etwa 200 aktiven „gEMiDe“-Mitgliedern viele, viele Gespräche geführt hat. „Ich hatte Gegenwind.“

Die meisten „gEMiDe“-Mitarbeiter hat sie überzeugt

Etwa ein Dutzend wird rund um den CSD das Engagement ruhen lassen, weil sie mit dem Thema nicht in Verbindung gebracht werden wollen – der Rest steht hinter dieser starken Frau mit dem herzlichen Lachen. „Eine muss den Anfang machen“, sagt Eric Feise. Seine Frau nickt entschlossen: Ich kann ein Zeichen setzen.“

Das ist der Verein:

„gEMiDe“ entsteht 1999 aus einer Fraueninitiative, die Hülya Feise mit Unterstützung des Referats für interkulturelle Angelegenheiten der Stadt Hannover aufbaut. Aus dem Netzwerk von sieben Frauen ist heute ein Kreis von 350 Mitgliedern geworden, etwa 200 arbeiten aktiv mit. Es geht um Willkommenskultur, Teilhabe, politische Aufklärung und vor allem Bildung. 2002 zeichnet der damalige Bundespräsident Johannes Rau (†75) das Projekt aus, 2006 wird es Bundessieger im Integrationswettbewerb „Bürger für Bürger“, 2014 verleiht das „Bündnis für Toleranz und Demokratie“ einen Preis. Das Büro ist im Allerweg 7-9 (Linden-Süd). Dieser Link führt zur Homepage www.gemide.org

Von Andrea Tratner

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